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Dienstag, 17. März 2015

Von wegen "lockeres Ausrollen bis Santiago"

Di. 17.03. Standort: Arauco / Pazifik     S37.2455  W073.6555

Kilometer gesamt:  3.834 km.     Heute: 73 km

Höhenmeter gesamt: 32.350 m.  Heute:  1.100 m !


Exakt viereinhalb Stunden benötige ich heute - trotz starkem Rückenwind -  für die lächerlichen 73 Kilometer von Lebu hoch nach Arauco am Pazifik. Die 1.100 Höhenmeter sind im Vergleich so, als würdest du mit gut zwei Kästen Bier auf dem Gepäckträger von Freiburg hoch auf den Schauinsland im Schwarzwald fahren. 
Der Landkarte mit deren schlechtem Maßstab kann man leider nicht entnehmen, dass es ständig einhundert bis zweihundert Meter steil hinauf geht und dann in einer Schussfahrt hinunter in die nächste Senke fast auf Meeresspiegel - Niveau.  Unterwegs erreiche ich mehrfach an die 70 Stundenkilometer. Trotzdem bleibt dieses tolle Camino-Reiserad von Stevens extrem ruhig in der Spur.
Da schlingert absolut nichts. Einfach ein geniales Rad ! Bislang weder eine Panne  noch einen Platten. Da das Profil der Reifen 
noch immer gut aussieht - trotz der 600 km Schotterpiste - denke 
ich, dass ich die Tour ohne technische Probleme zu Ende fahren 
werde.

Auch gesundheitlich habe ich die vielen Passfahrten und die 1.500 km lange Tour durch die Halbwüste gut weggesteckt.
Den zwischenzeitlichen Gewichtsverlust von gut 5 Kilogramm habe ich inzwischen teilweise schon wieder wettgemacht.

Medikamente habe ich zwar viele dabei, doch benötigt habe ich 
bislang absolut nichts davon. Ich verfüge auch nach knapp 4.000 km über eine erstaunlich gute Kondition. Da ich keinerlei Knieprobleme habe, traue ich mir jeder Zeit zu, auch mal 100 oder 150 Kilometer am Tag zu fahren. Alles eine Sache der Gewöhnung. 

Jetzt, wo die Ortschaften nicht mehr so weit auseinanderliegen und 
die Temperaturen erträglicher sind, muss ich auch keine sechs bis acht Liter Wasser pro Tag  mehr mit mir führen.  Da ich ja keinen Kocher dabei habe, gehe ich des öfteren essen. Zum Frühstück gibt 
es eigentlich immer dasselbe:  drei Brötchen mit Marmelade oder 
Honig und dazu einen Liter kalte Schoko-Milch. Wegen der notwendigen Kalorien trinke ich tagsüber u.a. einen Liter Cola und esse viele Kekse und frisches Obst. Falls möglich, hole ich mir unterwegs Joghurt im 1- Liter Beutel.  Jede Kalorie zählt !


Auch hier: Statt eines Hochbehälters für eine gesamte Gemeinde, hat jedes Haus einen eigenen Wasserbehälter auf dem Grundstück.




Nur einmal während der heutigen anstrengenden Tour habe ich einen solchen schönen Blick auf den Pazifik.

Jeder Ort hat eine Plaza - ein Park mitten im Zentrum zum Verweilen. 

Hier in Arauco warte ich auf Roland, der sich mit seinem Faltrad in diesem hügeligen Terrain sehr schwer tut.  Obwohl er ja erst in Uspallata zu mir gestoßen ist, hat er gewiss schon mehr Pedalumdrehungen absolviert als ich auf der gesamten Tour.  Das spricht für seine sehr gute Kondition. Respekt !

Hier am Plaza werden wir uns morgen gegen 10 Uhr wieder treffen, um gemeinsam Richtung Norden zu fahren. Während ich heute hier zentral  in Arauco in einem sehr sauberen Hostel untergekommen bin, sucht sich Roland irgendwo in der Nähe eine preiswertere Bleibe. Während ich heute hier im Park auf Roland wartete, habe ich ausführlich die Gelegenheit, mit einem Einheimischen in englischer Sprache zu plaudern. Auch er sagt, dass sich die 
Chilenen aus Angst vor Einbrüchen regelrecht abschotten - die 
Fenster im Erdgeschoss allesamt vergittern und sich Hunde halten, die sofort anschlagen. 
Ich persönlich hatte den anfänglichen Kulturschock meines Erachtens eigentlich schnell verdaut, weil ich ja schon im Vorfeld wusste, was mich in Südamerika erwarten wird. Nur die vielen, vielen herrenlosen Hunde und die unendlichen Zäune machen mir mental zu schaffen. Alles andere ist ok.  Die Menschen sind ungemein freundlich, besonders aufgeschlossen und 
hilfsbereit,wenn sie hören, dass du aus Alemania kommst. Trotz mangelhafter Sprachkenntnisse, ist es mir mit Händen und Füßen stets möglich, mich auszutauschen. Oft winken sie mir beim Vorbeifahren zu oder kommen spontan her, um mehr über mich zu erfahren. Das sind letzten Endes die positiven Eindrücke, wenn ich in drei Wochen wieder zurück in Deutschland sein werde. 
Ich tue mich lediglich ungemein schwer damit, wenn mich 
Chilenen fragen, wie mir ihr Land gefällt. Vielleicht habe ich schon zu viele landschaftliche Highlights auf dieser Erde gesehen, so dass ich diesbezüglich mit einem zwiespältigen Eindruck nach Hause kommen werde.  Auf alle Fälle werde ich mit vielen neuen Erfahrungen und Eindrücken zurückkommen, die noch lange nachwirken werden.
Komisch eigentlich - ohne Morbus Waldenström hätte ich weder die USA mit dem Rad durchquert noch wäre ich hierher nach Südamerika gekommen, um mit dem Paso Agua Negra einen der
 höchsten Passstrassen der Welt zu befahren. Das Schicksal geht oft seltsame Wege. Auf diese Weise kann ich meiner Leukämie-Erkrankung doch einiges Positives abringen - eröffnet sie mir doch die Chance, mir bislang unbekannte Kulturen und Landschaften kennen zu lernen. 

An der Playa Arauco
 

Die Saison ist vorbei - die Strände leer